Bettagsrede von Laura Schöni in der Stadtkirche Olten

Dieser Moment jetzt gerade bedeutet für mich aber den endgültigen Startschuss ins Präsidialjahr. Mit meiner allerersten Rede als Parlamentspräsidentin beginnt für mich heute mein Präsidialjahr so richtig.

Bettagsrede von Laura Schöni in der Stadtkirche Olten
Laura Schöni, die Parlamentspräsidentin der Stadt Olten hält die Bettagsrede

Geschätzte Besucher*innen des heutigen Gottesdienstes
Ich freue mich sehr, heute vor Ihnen stehen zu dürfen.
Vielen herzlichen Dank für die Einladung.

Bereits seit dem ersten August bin ich Präsidentin des Oltner Gemeindeparlaments, und damit auch offiziell die höchste Oltnerin. Dieser Moment jetzt gerade bedeutet für mich aber den endgültigen Startschuss ins Präsidialjahr. Denn bis jetzt habe ich mich an allen Anlässen zu denen ich eingeladen war, lediglich als stille Besucherin aufgewärmt. Heute stehe ich nun vor ihnen. Mit meiner allerersten Rede als Parlamentspräsidentin beginnt für mich heute mein Präsidialjahr so richtig.

Ich habe mir lange überlegt, was ich denn zu sagen habe. In der Welt bewegt sich gerade vieles. In meiner Welt bewegt sich gerade vieles. Der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine, die steigenden Energiepreise, die AHV-Reform, das Kunstmuseum, der Langsamverkehr auf dem Postplatz, gleichberechtigte Elternschaft, wohin soll es mit meiner Patchwork-Familie in die Herbstferien gehen. Ich bin sicher, Sie bewegt noch eine Menge mehr.

Meine vergangene Woche stand ganz im Zeichen des Oltner 2-Stundenlaufs. Mit meinen drei Sportklassen aus dem Frohheim habe ich daran teilgenommen. Die Schüler*innen waren zu Fuss und auf dem Velo auf einer Runde zwischen Flugplatz und Kleinwangen unterwegs und haben dabei Spendengelder gesammelt. Zwei Drittel gingen dabei an soziale Projekte und ein Drittel floss in die Klassenkasse.

Die Bedingungen an den Durchführungstagen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Mal war es wunderbar sonnig, mal hat es uns grässlich verschiffet. Ebenso unterschiedlich waren die Voraussetzungen, welche die Schüler*innen mitbrachten. Die einen hatten klapprige Bahnhofvelos, die anderen gut in Schuss gehaltene Bikes. Nicht wenige verfügten über kein angemessenes Schuhwerk und Bekleidung für einen solchen Anlass. Andere Schüler*innen waren top ausgerüstet. Die eine Klasse war motiviert und sammelte fast 3000 Franken. Eine andere sah den Sinn dahinter nicht und es kamen viel weniger Kilometer und Franken zusammen.

Warum erzähle ich Ihnen das?

Wir alle befinden uns aktuell an einem Lauf. Es ist nicht der 2-Stundenlauf, sondern vielmehr der Lauf des Lebens. Vielleicht heisst er Lebenslauf?

Wir alle haben ein Ziel oder sogar mehrere vor Augen. Vielleicht sind wir fokussiert und zielgerichtet. Vielleicht haben wir Mühe, das Ziel im Auge zu behalten. Mal sind unsere Ziele ganz privat, mal haben wir gemeinsame Etappenziele. Den Klimawandel bremsen? Oder gemeinsam die Stadt Olten weiterbringen? Möglichst viele Runden beim 2-Stundenlauf rennen? Mal gehen wir einen Teil der Strecke gemeinsam, mal kreuzen sich unsere Wege und ein ander Mal laufen wir in entgegengesetzte Richtung unseren jeweiligen Zielen entgegen. Eines eint uns jedoch ganz bestimmt, wir sind in Bewegung.

Ich möchte heute aber Ihre Aufmerksamkeit jedoch nicht auf das, was in Bewegung ist, lenken. Sondern vielmehr auf den Moment der Stille. Ich lade sie ein, den heutigen Bettag als Moment des Innehaltens zu erleben.

Stoppen und Innehalten ist eigentlich nicht das, was man bei einem Lauf macht. Machen Sie auf Ihrem Lebens-Lauf trotzdem mal eine Pause und halten Sie inne.

Wie geht es Ihnen gerade? Wie läuft es? Haben Sie noch Energie? Waren Sie genügend aufgewärmt oder zwickts schon in der Wade? War das vorgängige Training ausreichend oder laufen Sie am Limit? Haben Sie Ihr Ziel noch vor Augen? Sind sie motiviert? Haben Sie einen Regenschutz für das aufkommende Gewitter dabei? Es wird bald dunkel. Hat ihr Handy noch genug Akku oder haben Sie eine Stirnlampe dabei?

Sie wollen weiterrennen? Warten Sie noch einen Moment. Halten Sie noch ein bisschen weiter inne. Schauen Sie sich mal um.

Was passiert gerade vor Ihnen? Wer läuft hinter ihnen? Wie geht es eigentlich ihren Mitläufer*innen? Wohin laufen die überhaupt? Was haben sie für Ziele vor Augen? Welche Route haben sie gewählt?

Wer hat vielleicht den Start verpasst oder muss zusätzliche Hindernisse überwinden? Wer hat noch Kraft? Wer Seitenstechen oder einen Krampf? Wer braucht eine Pause und ein Apfelschnitzli? Wer braucht vielleicht sogar andersweitige Unterstützung?

Wer konnte keine Sponsorengelder auftreiben, weil es im Umfeld einfach nicht drinliegt? Wem macht das Wetter oder der steinige Untergrund zu schaffen? Wer hat vielleicht gar keine Laufschuhe oder Regenjacke?

Wie viel Zeit bleibt eigentlich noch?...

Halten Sie inne und schauen Sie sich um. Sie werden merken, Ihre Mitmenschen haben andere Realitäten. Ihnen fallen andere Dinge leicht, sie kämpfen mit anderen Hindernissen und Voraussetzungen.

Die Rahmenbedingungen am Lebenslauf sind für uns alle unterschiedlich. Dies ist eine Tatsache. Anerkennen Sie diese und unterstützen Sie sich gegenseitig. Nehmen Sie Ihren Mitläufer*innen etwas Gepäck ab. Lassen Sie sie früher starten. Räumen Sie Ihnen ein Hindernis aus dem Weg. Ziehen Sie sich gegenseitig ein Stück den Berg hoch. Leihen Sie ihre Regenjacke aus.

Nehmen Sie den heutigen Bettag zum Anlass, innezuhalten und sich umzuschauen. Anerkennen Sie die Vielfalt in unserem Land. Lassen Sie uns zusammen die Startbedingungen und den Lauf des Lebens gleichberechtigter für alle machen.

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen einen schönen Bettag.