Der Grossvater und die Steuern
“Man kann nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.” Solche Sätze sagen nicht nur Grossväter zu ihren Enkelkindern, auch in politischen Diskussionen fallen solche Lebensweisheiten immer wieder.
“Man kann nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.” Solche Sätze sagen nicht nur Grossväter zu ihren Enkelkindern, auch in politischen Diskussionen fallen solche Lebensweisheiten immer wieder. Ein ausgeglichener Haushalt, ein Budget, das mit einer schwarzen Null abschliesst, ist das Ziel vieler Politiker*innen.
Diesen Donnerstag (22.11.) stimmt das Oltner Parlament über das Budget 2019 ab. Der Stadtrat beantragt darin u.a. eine Steuererhöhung um 4 % für natürliche und 2 % für juristische Personen auf 112% bzw. 110%. Kommt die vom Stadtrat vorgelegte Version durch, steht in der Erfolgsrechnung der Stadt Olten 2019 ein Minus von 789’000 Franken. Laut der Grossvater-Regel geht das nicht, und so ganz unrecht hat er nicht. Auch eine Stadt darf zwar Schulden machen, doch wenn Olten sich schon die “Lebenshaltungskosten” nicht leisten kann, wie sollen dann erst dringend notwendige Investitionen wie ein neues Schulhaus getätigt werden?
Nun gibt es zwei Möglichkeiten wie man in der Situation verantwortungsbewusst vorgehen kann. Rezept 1: weniger ausgeben. Rezept 2: irgendwie mehr einnehmen.
Von rechts wird primär das Rezept "weniger ausgeben" propagiert. “Dann müssen wir den Gürtel halt enger schnallen”, würde der Grossvater sagen und das heisst: auf etwas verzichten. Die zwingend darauf folgende Frage: auf was? Die geplante Steuererhöhung des Stadtrates kommen primär daher, dass die Ausgaben der Stadt auf grund von externen Faktoren stark gestiegen sind. Finanzausgleich, Beiträge an Sek-P, Sozialkosten, Teuerungsausgleich für Lehrpersonen. Alles Ausgaben, die vom Kanton bestimmt, aber von der Stadt bezahlt werden müssen. Ausgaben, welche wir also auf städtischer Ebene höchstens indirekt und mittelfristig beeinflussen können.
Kommt hinzu, dass Olten schon in den vergangenen Jahren nicht einfach geprasst hat. Nach dem Wegfall der Alpiq-Millionen wurde nicht nur an vielen Orten gekürzt und gestrichen, sondern auch an sich notwendige Investitionen (z.B. im Werterhalt) aufgeschoben, die nun drängen. Auch der Grossvater wird nicht verneinen, dass man ein Dach flicken muss, wenn es ein Loch drin hat oder die defekte WC-Spülung ersetzt werden muss.
Um zu sparen müssten wir also andere Ausgaben senken. Die geplante Steuererhöhung bringt der Stadt Mehreinnahmen von 2.2 Millionen Franken pro Jahr. Einen solchen Betrag einzusparen ist nicht einfach. 2.2 Millionen sind etwa so viel wie uns jedes Jahr die Kindergärten in der Stadt kosten. Oder ein Drittel dessen was wir für die Primarschule ausgeben. Oder das, was uns die Musikschule, die Stadt- und die Jugendbibliothek pro Jahr zusammen kosten. Und würden wir alle drei städtischen Museen zutun und alle kleineren Kulturbeiträge zB. an die Kabarett-Tage, ans Kino Lichtspiele oder an Kunstschaffende streichen, dann hätten wir diesen Betrag immer noch nicht ausgeglichen.
Doch wie gesagt: Neben dem “weniger ausgeben” bleibt die Alternative des “mehr einnehmen”. Und das heisst in erster Linie: die Steuern erhöhen und natürlich hört das niemand gerne. Weder der pensionierte Grossvater, noch das Ehepaar mit zwei Kindern. Aber wie wirkt sich die vom Stadtrat geplante Steuererhöhung im Einzelnen überhaupt aus? Wieviel mehr Steuern zahlen wir bei einer 4 % Steuererhöhung für natürliche Personen effektiv? Wir haben den Finanzverwalter der Stadt gebeten das für uns auszurechnen:
Diese Zahlen zeigen, dass die konkrete Mehrbelastung nicht sonderlich hoch ausfällt. Wenn bei unserem Ehepaar mit 2 Kids, beide Eltern arbeiten, dann zahlen sie etwas mehr als 300 Franken pro Jahr zusätzlich. Wenn man das in Relation setzt dazu, was wir in Olten mit 2.2 Millionen alles tun können, dann ist es das doch allemal wert, nicht? Und in jedem Fall einer weiteren schmerzlichen Sparrunde vorzuziehen.
Nur eben, wie eingangs erwähnt: Auch bei einer Steuererhöhung von 4 %, wie sie der Stadtrat vorschlägt, schreibt die Stadt noch rote Zahlen und zwar 789’000 Franken. Für eine schwarze Null müsste man also trotzdem noch mehr sparen. Oder eine noch grössere Steuererhöhung in Kauf nehmen. Konkret wären das 6 % auf total 114 %. Auch die daraus resultierende Belastung haben wir in einer Tabelle dargestellt:
Mensch sieht: Auch das würde das Gros der Oltner Einwohnerinnen und Einwohner nicht in den finanziellen Ruin treiben. Natürlich würden unsere 4-köpfige Familie die ca. 150 Franken zusätzlich etwas schmerzen. Doch welche Familie in Olten verdient schon 125’000 Franken pro Jahr? Bei einer Familie mit rund 75’000 Franken Einkommen wären es sogar nur 60 Franken zusätzlich.
Olten Jetzt! ist nicht der Meinung, dass eine Stadt einfach mal grundsätzlich die Steuern erhöhen soll, wenn das Geld knapp wird. Natürlich muss immer wieder geprüft werden, ob die Ausgaben, die eine Stadt tätigt, gerechtfertigt und sinnvoll sind. Als Oltnerinnen und Oltner müssen wir uns immer fragen: Was erwarten wir von unserer Stadt? Was soll Olten seinen Einwohnerinnen und Einwohnern an Infrastruktur und Angebot zur Verfügung stellen?
Wer in der aktuellen Situation, nach Jahren des Knauserns und Hinauszögerns, nun aber behauptet, dass mit ein bisschen Sparen eine Steuererhöhung vermeidbar wäre, verkennt den Ernst der Lage. Und dabei geht es nicht einmal direkt um zukünftige Grossprojekte wie das neue Schulhaus oder den Bahnhofsplatz, sondern in erster Linie um den “Normalbetrieb”.
Der Grossvater hat schon recht: Auf lange Sicht sollte man nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Doch wenn das Dach ein Loch hat, dann reicht es nicht, etwas beim Essen zu sparen und es mit dem damit gewonnenen Geld notdürftig abzudecken. Dann muss man irgendwann die Mittel auftreiben, um es richtig zu flicken. Deswegen der Enkelin den Klavierunterricht zu streichen, das finden wir falsch und deshalb unterstützt Olten Jetzt! den Antrag des Stadtrats auf eine Steuererhöhung. Damit Olten weiterhin eine attraktive Stadt bleibt, die uns Einwohnerinnen und Einwohner etwas bieten kann.
Denn ist das nicht das Schöne an unserem System? Dass wir uns gemeinsam durch unsere Steuern Dinge wie eine Musikschule finanzieren können, die wir jede und jeder Einzelne sich alleine niemals leisten könnte.
Daniel Kissling, Tobias Oetiker, Laura Schöni, Denise Spirig
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