Wie das neue Schulhaus bezahlt werden könnte – und andere Überlegungen zum SBO-Geschäftsbericht
Die SBO schrieben im Jahr 2020 einen Gewinn von 76,7 Millionen. Könnte dieses Geld zur Finanzierung der anstehenden Infrastrukturprojekte in Olten eingesetzt werden?
SBO-Serie Teil I
Jeweils im Mai verbringt das Oltner Gemeindeparlament fast einen ganzen Abend damit, den Geschäftsbericht der städtischen Betriebe Olten (SBO) zu diskutieren. Im April ist bekannt geworden, dass die SBO im Jahr 2020 einen Gewinn von 76,7 Millionen gemacht haben. Was unweigerlich die Frage aufwirft, ob Olten das Geld irgendwie zur Finanzierung der anstehenden Investitionen in Schulhaus, Bahnhofplatz, Kunstmuseum und Stadttheater verwenden könnte. Leider ist das nicht ganz so einfach. Aber ganz aus der Luft gegriffen ist die Idee auch nicht.
Die SBO ist eine Aktiengesellschaft, die sich vollständig im Besitz der Einwohnergemeinde Olten befindet. Das Oltner Gemeindeparlament hat die Oberaufsicht über die SBO. Diese besteht darin, jeweils im Mai die Rechnung zur Kenntnis zu nehmen, den Geschäftsbericht zu genehmigen und den Verwaltungsrat sowie die Geschäftsleitung zu entlasten.
Das Gemeindeparlament ist also eine Art Generalversammlung, könnte man meinen. Aber so ist es nicht. Denn während das Parlament sozusagen das Risiko trägt, indem es Verwaltungsrat und Geschäftsleitung entlastet, wird der Verwaltungsrat durch den Stadtrat gewählt. Auch die Eignerstrategie, welche die Leitplanken des Unternehmens für den Verwaltungsrat festlegt, wird durch den Stadtrat festgelegt.
Das machtlose Parlament
Entsprechend heftig fallen jeweils in der Mai-Sitzung die Voten der Parlamentarier:innen aus, die gerne etwas mehr Kontrolle über die SBO und ihre Strategie ausüben möchten – aber erkennen müssen, dass mit Reden alleine wenig zu erreichen ist. Immerhin hören Stadtrat und SBO-Management zu, wenn im Parlament geredet wird, und kommen den Wünschen auch immer mal wieder ein kleines Stück entgegen, gerade so weit wie nötig, um drastischere Massnahmen des Parlamentes zu verhindern. Diese Möglichkeit gäbe es nämlich durchaus. Aber dazu mehr in einer zweiten Geschichte, die in den nächsten Tagen folgen wird.
True and Fair View
Das Zückerchen, mit dem die SBO das Parlament dieses Jahr erfreute, war die Bewertung der stillen Reserven. Ob diese wirklich wegen der im Parlament wiederholt geäusserten Forderung erfolgte, oder ob die Buchprüfer Ernst & Young die SBO darauf hingewiesen hatten, dass seit 2013 im Schweizer Rechnungslegungsrecht das "True and Fair View"-Prinzip verankert ist, und es einem Unternehmen mit 66 Millionen Franken Umsatz gut anstünde, sich daran zu halten?
Im Jahr 2020 wurde also eine Bewertung aller Anlagen der SBO vorgenommen, und siehe da, nun sind die SBO plötzlich rund 76,7 Millionen mehr Wert als im Jahr zuvor. Klar, das ist nicht Bargeld, sondern der Wert von Anlagen wie Gas- und Stromleitungen im Untergrund, aber trotzdem weckt eine solch hohe Zahl natürlich Begehrlichkeiten.
Ein Verkauf der SBO kommt nicht infrage
In der Parlamentsdebatte haben Mitglieder der FDP vorgeschlagen, die SBO umgehend zu verkaufen und mit dem Erlös die anstehenden Investitionen zu bezahlen. Für Olten jetzt! ist klar, dass die SBO unter der Kontrolle der Stadt bleiben muss. Die Energie- und Wasserversorgung der Stadt sind zu zentral, als dass diese Verantwortung in private Hände gelegt werden darf.
Trotzdem ist die Frage angebracht, inwiefern es möglich wäre, mit dem Kapital der Firma etwas zur Finanzierung der anstehenden städtischen Gross-Investitionen beizutragen.
Fehlende Transparenz
Um diese Frage beantworten zu können, müsste man wissen, wie es um die SBO-Finanzen wirklich steht. Durch die Bewertung der stillen Reserven wurde ein Schritt in Richtung Transparenz gemacht, aber die Reise ist ganz klar noch nicht zu Ende. Da ist zum Beispiel die Sache mit der a.en. Die SBO hat das gesamte Geschäft mit Strom, Wasser und Gas inklusive aller Mitarbeitenden an ihre Tochterfirma a.en ausgelagert. Wie es der a.en (finanziell) so geht, erfahren wir nur indirekt.
Im Geschäftsbericht der SBO wird die a.en 44-mal genannt. Meistens jedoch nur im Text, ein paar wenige Male auch mit Zahlen. Auf Seite 8 wird die Beteiligung von 100% an der a.en erwähnt, mit einem Aktienkapital von 2 Millionen. Auf Seite 30 ist zu lesen, dass der Umsatz der a.en 16,5 Millionen betrage, und in der Bilanz steht, dass alle Beteiligungen der SBO zusammen mit 17,7 Millionen bewertet sind. Der Rest bleibt der Fantasie geneigter Leser:innen überlassen.
Bei Beteiligungen von 100% wird in der Rechnung normalerweise komplette Transparenz geschaffen, indem eine vollkonsolidierte Bilanz vorgelegt wird. Also eine Bilanz, in der die Zahlen der Tochterfirma in die Rechnung der Mutterfirma integriert werden. So wäre sichergestellt, dass in der a.en nicht irgendwelche Gewinne oder auch Schulden versteckt werden können. Bei der SBO-Rechnung ist dies leider bisher nicht der Fall.
Zehn Prozent Zins auf dem Dotationskapital
Ein weiteres Detail aus dem Geschäftsbericht: Die Stadt Olten gewährte der SBO ein Dotationskapital (eine Art Startkapital) in der Höhe von 14 Millionen Franken. Dieses wurde im letzten Jahr mit 1,5 Millionen verzinst. Also rund 10 Prozent. Das ist zwar hübsch für die Stadt, aber im heutigen Zinsumfeld, wo für kurzfristige Darlehen sogar Negativzinsen "bezahlt" werden, betriebswirtschaftlich unhaltbar.
Anerkannter Rechnungslegungsstandard würde Klarheit schaffen
Bei Fragen zur Transparenz versichert der Stadtrat dem Parlament jeweils, dass alles rechtens sei, branchenüblich und marktwirtschaftlich wichtig, die SBO sei eben eine öffentlich-rechtliche Aktiengesellschaft – und überhaupt, die SBO hätten auch dieses Jahr wieder ein erkleckliches Sümmchen in die Stadtkasse gelegt.
Wie gesagt, obwohl nun die stillen Reserven bewertet wurden, sind die Informationen über den finanziellen Zustand der SBO nach wie vor lückenhaft. Damit das Parlament seine Aufsichtsfunktion wahrnehmen kann, braucht es Klarheit über die finanzielle Lage der SBO. Auskunft über die Finanzen eines Unternehmens gibt die Jahresrechnung. Wobei es in der Rechnung sehr viel Spielraum gibt, um Informationen vor den Aktionären zu verstecken und trotzdem innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bleiben.
Wir im Oltner Stadtparlament sind nicht die Ersten, die mit dem Problem der ungenügenden Transparenz konfrontiert sind, und daher gibt es schon eine Lösung für das Problem: sogenannte Rechnungslegungsstandards. Sie schreiben vor, wie eine Rechnung aufgebaut sein muss, so dass alle relevanten Informationen daraus abgelesen werden können. Ein Beispiel für einen solchen Standard ist Swiss GAAP FER. Er stellt sicher, dass die Rechnung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (True and Fair View) präsentiert.
Haben die SBO mehr Reserven als sinnvoll?
Das Kapital einer Firma besteht aus Eigenkapital und Fremdkapital. Zum Eigenkapital zählt alles, was der Firma gehört; Geld, Immobilien, Maschinen, Patente und so weiter. Fremdkapital bezeichnet Kredite und andere Dinge, die der Firma von Dritten zur Verfügung gestellt wurden.
Eine wichtige Messgrösse bei der Beurteilung der "Gesundheit" einer Firma ist der Anteil des Eigenkapitals am gesamten Kapital der Firma. Der Bund empfiehlt für KMUs einen Eigenkapitalanteil von mindestens 50% bei Industriebetrieben und 40% bei Handelsunternehmen.
Auch ohne eine transparente Rechnungslegung nach Swiss GAAP FER liegt die Vermutung nahe, dass die SBO heute mehr Eigenkapital besitzen als sinnvoll. Im Jahr 2019 hatten die SBO einen Eigenkapitalanteil von respektablen 56%. Nun, nachdem die ganzen Anlagen bewertet worden sind, ist der Eigenkapitalanteil auf satte 73% angestiegen.
Es ist nicht einzusehen, warum für ein Unternehmen mit minimalem Risiko wie die SBO nun plötzlich ein dermassen hoher Eigenkapitalanteil notwendig sein sollte. Wobei – solange keine vollkonsolidierte Rechnung vorliegt, in der die Zahlen der a.en integriert sind, sind solche Aussagen natürlich mit Vorsicht zu geniessen.
Wenn es so ist, dass der Eigenkapitalanteil zu hoch ist – man spricht dabei von einer Überkapitalisierung – dann könnte ein Teil des Kapitals in Form einer sogenannten Substanzdividende an die Einwohnergemeinde Olten als Besitzerin ausgeschüttet werden. Dadurch könnte die Belastung der Stadtkasse durch die anstehenden Infrastrukturprojekte reduziert werden.
Es würde sozusagen eine Umschichtung des städtischen Vermögens vorgenommen – von der SBO in die neuen Grossprojekte – das Geld würde nicht aus dem Fenster geworfen, sondern in neue Werte für die Allgemeinheit verlagert.
Viel nörgeln und dann doch Ja sagen
Letztendlich ist das aber alles nur heisse Luft, denn der direkte Einfluss des Parlamentes auf die SBO im Rahmen der Rechnungsdebatte ist minimal. Und es läuft ja alles "wunderbar"; die SBO zahlen wie erwähnt jedes Jahr ein paar Millionen in die Stadtkasse. So stimmten denn auch die meisten Parlamentsmitglieder in der Schlussabstimmung im Sinne des Verwaltungsrates der SBO. Auf der Website der Stadt wurde dazu lediglich vermerkt: "Der Antrag des Stadtrates wurde mit 35:1 bei 3 Enthaltungen genehmigt."
Damit wäre das Thema SBO eigentlich für dieses Jahr abgehakt gewesen. Wenn da nicht noch die Sache mit den SBO-Statuten auf der Traktandenliste gestanden hätte. Denn anstatt sich jedes Jahr in der Rechnungsdebatte lautstark zu beschweren, könnte das Parlament auch die Regeln ändern, nach denen die SBO geschäften müssen. Mehr dazu im zweiten Teil der Geschichte, den wir in den nächsten Tagen publizieren werden.
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