Wem nützen Steuersenkungen?
Steuersenkungen sind ein Dauerbrenner in der politischen Debatte. Doch wer profitiert wirklich davon? Eine Analyse zeigt: Reiche würden deutlich mehr sparen als Geringverdienende.
Haben Sie den Leserbrief von Thomas Rauch im Oltner Tagblatt (2.7.2024) gelesen? Der, in dem er sich in bemerkenswert herablassendem Ton über die Mitglieder der Finanzkommision mokiert und findet, der Rechnungsüberschuss von 15 Millionen soll zur Finanzierung von Steuersenkungen verwendet werden? «Die überschüssigen Mittel sind Steuergelder, die den Konsumenten, Familien und Rentnern fehlen», schreibt er.
Diejenigen, die sich am lautesten über die «Steuerlast» beklagen, befinden sich in der Regel selber nicht in prekären finanziellen Verhältnissen. Es ist schon fast zynisch, wie sie so tun, als würden sie für die «kleinen Leute» kämpfen, während sie in Wirklichkeit die Hauptprofiteure von Steuersenkungen sind.
Würde in Olten der Steuerfuss um drei Prozent gesenkt, wie von der SVP gefordert, würden in der Stadtkasse jedes Jahr 1,4 Millionen Franken fehlen. Für Menschen mit einem Einkommen bis 80 000 Franken gäbe es eine durchschnittliche Steuerreduktion von gerade mal 55 Franken pro Jahr. Die 183 Oltner:innen mit einem Einkommen von über 200 000 Franken könnten sich über ein zwanzigmal so grosses Steuergeschenk von durchschnittlich 1 000 Franken freuen.
Wovon alle Menschen in Olten profitieren, sind Investitionen in den Unterhalt und den Ausbau der städtischen Infrastruktur. Dazu gehören das soeben eröffnete Schulhaus Kleinholz und die geplanten Renovationen in der Badi. Der Stadtrat plant, mit dem Überschuss einen Teil der Kosten dieser Investitionen zu zahlen.
Was auch hilft, sind gezielte Entlastungen: Ab dem kommenden Schuljahr werden die Giesskannen-Subventionen für die Oltner Mittagstische durch eine einkommensabhängige Unterstützung via Betreuungsgutscheine ersetzt. Familien mit niedrigem Einkommen zahlen so in Zukunft deutlich weniger als bisher.
Würde die Stadt durch Steuersenkungen jährlich 1,4 Millionen aus dem Budget verlieren, müssten Leistungen reduziert oder vermehrt durch Gebühren finanziert werden. Gebühren, die für alle gleich hoch sind, ob arm oder reich.
Eine Version dieses Textes ist am 12.7.2024 in der NOZ als Blinkwinkel-Kolumne erschienen.