Haus der Fotografie, Menstruationsbeschwerden und mehr Mitwirkung – Sessionsbericht März 2025
Die März-Session bringt wegweisende Entscheide für unsere Stadtentwicklung! Mit klarem Bekenntnis zum Haus der Fotografie stärkt das Parlament den Kulturstandort. Menstruationsbeschwerden werden als eigenständiger Abwesenheitsgrund anerkannt – ein wichtiges Signal für mehr Gleichstellung.

Leistungsvereinbarung mit dem Haus der Fotografie ab 2030
Der Stadtrat nimmt einen neuen Anlauf, die Renovation von Kirchgasse 8 und 10 wieder aufzugleisen. Basierend auf den Empfehlungen der parlamentarischen Spezialkommission soll das Kunstmuseum neu an der Kirchgasse 8 verbleiben und durch einen Anbau Richtung Munzingerplatz erweitert werden. Das Haus der Fotografie soll nach der Renovation wieder in die Kirchgasse 10 einziehen, da wo es jetzt schon ist, nur eben nicht mehr als Zwischennutzung.
Das Haus der Fotografie funktioniert gut und erzeugt ein sehr positives Echo beim Publikum. Die Betreiber:innen möchten die Institution im Zuge der Renovation der Kirchgasse 10 in einen permanenten Betrieb mit bezahlten Mitarbeitenden überführen. Dazu sind neben den Einnahmen aus Eintritten auch Sponsoring und Subventionen notwendig. Der Stadtrat findet die Idee gut und plant, den Mieterlass (260 000 Franken pro Jahr) auch nach der Renovation ab 2030 weiterzuführen und durch eine direkte Subvention von 130 000 Franken pro Jahr zu ergänzen. Dazu soll dann mit dem Haus der Fotografie eine entsprechende Leistungsvereinbarung abgeschlossen werden.
Wiederholte Ausgaben in der Höhe von gesamthaft 390 000 Franken müssen vom Parlament bewilligt werden und unterstehen dem fakultativen Referendum. Bevor der Stadtrat nun das Renovationsprojekt unter diesen Bedingungen neu aufsetzt, will er vom Parlament eine Absichtserklärung einholen, dass es bei den Budgetverhandlungen 2029, wenn die Leistungsvereinbarung bewilligt werden muss, auch zustimmen wird.
Die Diskussion
Das Haus der Fotografie geniesst offensichtlich eine breite, fraktionsübergreifende Unterstützung. Die Grünen/Junge Grüne, FDP, Mitte-GLP-EVP, SP/Junge SP und Olten jetzt! betonen die Bedeutung der Institution für das kulturelle Leben und den Wirtschaftsstandort Olten. Denise Spirig (Olten jetzt!) formuliert es so: «Für uns ist es nicht nur eine Kultursubvention im Sinne unserer Kulturstrategie, sondern die Förderung des Hauses der Fotografie ist auch eine Standortmarketingmassnahme zugunsten der Oltner Wirtschaft.»
Einzig die SVP zeigt sich offen kritisch gegenüber der Verknüpfung der Unterstützung des Hauses der Fotografie mit der Zustimmung zum Gesamtprojekt. Sie fordert mit einem Rückweisungsantrag eine unabhängige Leistungsvereinbarung und begründet den Antrag mit dem «verkorksten» Renovationsprojekt. Wer da was, wie und warum verkorkst hat, wird dabei nicht erläutert.
Die FDP unterstützt zwar das Vorhaben, betont jedoch, dass ihre Zustimmung kein «Blankoscheck für das ganze Projekt Kirchgasse 8 und 10» sei.
Bemerkenswert ist die abweichende Position von Timo Probst (Jung SP), der als einziger gegen die Vorlage stimmt und die hohen Eintrittspreise sowie mangelnde lokale Ausrichtung kritisiert.
Der Entscheid
Das Gemeindeparlament stimmt der Absicht des Stadtrates, eine Leistungsvereinbarung mit dem Haus der Fotografie auszuhandeln, mit deutlicher Mehrheit von 33 Ja-Stimmen zu 1 Nein-Stimme bei 1 Enthaltung zu. Der Rückweisungsantrag der SVP wird mit 32 zu 3 Stimmen klar abgelehnt. Damit erhält der Stadtrat die gewünschte Planungssicherheit für das weitere Vorgehen bei der Renovation der Liegenschaften an der Kirchgasse. Die Leistungsvereinbarung über jährlich 390 000 Franken soll 2030 nach Abschluss der Sanierungsarbeiten beschlossen werden.
Was Olten jetzt! dazu sagt
Zum ersten Mal wird vom Stadtrat die neue Kulturstrategie als Grundlage für einen konkreten Förderentscheid herangezogen. Stadtrat Loeffel begründet die finanzielle Unterstützung mit der Absicht, «überregional ausstrahlende Projekte längerfristig zu unterstützen». Diese konsequente Anwendung der Strategie ist umso erfreulicher, als die bürgerliche Parlamentshälfte im November 2024 noch die Finanzierung der ebenfalls in der Strategie vorgesehenen Kulturfachstelle verhindert hatte. Damit fühlten sich viele kultur-aktive Menschen in Olten heftig vor den Kopf gestossen – war die neue Strategie doch in einem grossangelegten öffentlichen Mitwirkungsprozess entstanden.
Bedenkenswert erscheinen die Aussagen der FDP und SVP, die auffällig stark betonen, dass ihre Unterstützung des Hauses der Fotografie nicht als Zustimmung zum Gesamtprojekt der Kirchgasse 8 und 10 zu verstehen sei. Genau diese Zustimmung ist jedoch das erklärte Ziel dieses Geschäftes. Obwohl beide Parteien in der Spezialkommission vertreten waren, die das aktuelle Projekt vorschlug, halten sie sich scheinbar weiter eine Hintertür offen, um bei späteren Entscheidungen das Gesamtprojekt erneut infrage stellen zu können.
Sie haben noch nicht begriffen, dass sie mit ihren politischen Spielen für massive Verunsicherung bei möglichen Sponsor:innen und Unterstützer:innen sorgen. Nicht zuletzt bei den Initiant:innen des Hauses der Fotografie selbst. Eine schwerwiegende Folge dieser Strategie zeigt sich am Beispiel des Rückzugs des Hauptsponsors des Kunstmuseums: Die Folgen für die Stadt sind ein jährlicher Sponsoringausfall von 250 000 Franken und der Wegfall eines Beitrags an die Baukosten des neuen Kunstmuseums in Millionenhöhe.
Die breite Zustimmung im Parlament zeigt dennoch, dass kulturelle Leuchttürme in Olten parteiübergreifend unterstützt werden. Die Debatte markiert insofern einen wichtigen Meilenstein für die Weiterentwicklung der städtischen Kulturlandschaft und die langfristige Nutzung der historischen Gebäude an der Kirchgasse.
Wie es weitergeht
Der Stadtrat wird nun die Planung für die Renovation von Kirchgasse 8 und 10 an die Hand nehmen und dem Parlament vermutlich im Herbst einen Antrag für einen Planungskredit vorlegen.
Neue Richtlinien für finanzielle Unterstützung
Die Stadt Olten hat im Rahmen ihrer Ausrichtung als Kulturstadt einen wichtigen Meilenstein erreicht. Nach der Verabschiedung der Strategie Kulturstadt Olten 2024–2030 wurden Anfang April konkrete Richtlinien für die finanzielle Unterstützung kultureller Aktivitäten publiziert.
Die neuen Richtlinien schaffen transparente Rahmenbedingungen für Kulturschaffende und Institutionen. Sie definieren präzise formale und inhaltliche Kriterien für die Einreichung von Fördergesuchen sowie klare Vergabeprozesse. Besonderes Augenmerk liegt auf Projekten mit lokalem Bezug, hoher Qualität und öffentlicher Zugänglichkeit.
Für Einzelprojekte beträgt die finanzielle Unterstützung in der Regel maximal 2000 Franken, während für regelmässig stattfindende Veranstaltungen auch wiederkehrende Beiträge möglich sind. Die Beurteilung der Gesuche erfolgt quartalsweise, mit festen Eingabeterminen Ende Februar, Mai, August und November.
Die Richtlinien sind Teil des umfassenden Kulturförderungskonzepts der Stadt Olten, das die Standortattraktivität und das kulturelle Leben nachhaltig stärken soll. Alle relevanten Dokumente, Informationen zum Gesuchsverfahren sowie das Gesuchsformular finden Interessierte auf der städtischen Webseite.
Temporäre Umnutzung des Munzingerplatzes als Anlass für ein politisches Schaulaufen
Der Stadtrat beschloss am 10. März 2025, dass ein Teil des Munzingerplatzes vorübergehend – vom 17. Mai bis zum 13. Juli 2025 – umgestaltet wird. Es werden Sitzgelegenheiten und eine Bocciabahn installiert, um «neue Freizeit- und Begegnungsräume zu schaffen und die Lebensqualität mitten in der Stadt zu steigern». Dies geschieht im Rahmen der Umsetzung eines am 23. September 2023 vom Parlament mehrheitlich angenommenen Auftrags mit dem Titel «Belebter Munzingerplatz für alle».
In einer dringlichen Interpellation äussern Marc Winistörfer und Nico Zila starke Bedenken zur Umgestaltung des Munzingerplatzes und stellen diese gar als existenzbedrohende Gefahr für das lokale Gewerbe dar.
Die Diskussion
Der provokante Titel der Interpellation – «Frontalangriff auf das Oltner Gewerbe» – und die zugespitzte Formulierung der Fragen fällt mehreren Fraktionen negativ auf und wird entsprechend klar kritisiert.
Im Parlament agieren die Interpellanten dann deutlich gemässigter als auf Papier. Während sie in ihrer schriftlichen Eingabe nicht nur von einem «Frontalangriff», sondern auch von «Vergrämung des motorisierten Individualverkehrs» sprachen, zeigen sie sich am Ende der mündlichen Debatte sogar zufrieden mit den Antworten des Stadtrats.
Was Olten jetzt! dazu sagt
Die Debatte um den Munzingerplatz verdeutlicht das veraltete Stadtentwicklungsverständnis der rechtsbürgerlichen Parteien. Klar, der angebliche «Frontalangriff auf das Gewerbe» ist wohl dramatisierte Wahlkampfrhetorik, aber wir werden garantiert im Rahmen der Ortsplanungsrevision und des neuen Parkraumkonzepts schon bald eine weitere Auflage dieser Aussagen zu hören bekommen.
Wir begrüssen den Mut des Stadtrats, Neues zu wagen und öffentlichen Raum für die Menschen zurückzugewinnen. Mit der zeitlich begrenzten Teilumnutzung des Munzingerplatzes wird ein innovatives Gestaltungskonzept erprobt. Eine Massnahme, die längst überfällig ist.
Die internationale Erfahrung zeigt: Attraktive Aufenthaltsräume beleben Innenstädte nachhaltiger als Parkplätze. Erinnern wir uns an die Kirchgasse – was heute unbestritten ist, wurde damals mit denselben Horrorszenarien bekämpft.
Olten jetzt! steht für eine Stadt, die allen gehört. Der inszenierte Konflikt zwischen Stadtentwicklung und Gewerbeinteressen lenkt von der eigentlichen Frage ab: Wollen wir eine lebendige Stadt oder einen grossen Parkplatz?
Energiekostenzulage für einkommensschwache Haushalte wird abgelehnt
Timo Probst (SP/Junge SP) will mit seinem Vorstoss eine einmalige Energiekostenzulage für einkommensschwache Haushalte in Olten ausrichten. Nach dem Modell der Stadt Zürich sollten Personen mit Anspruch auf individuelle Prämienverbilligung, die in Wohnungen mit Gas-, Öl- oder Holzheizungen leben, einen Zuschuss erhalten, um die gestiegenen Energiekosten abzufedern. Die Finanzierung soll aus dem Überschuss der Jahresrechnung 2023 erfolgen.
Die Diskussion
Timo Probst argumentiert, dass viele Mieterinnen und Mieter unter den gestiegenen Energiekosten leiden, besonders da sie keine Kontrolle über die verwendete Heiztechnologie haben. Er bezeichnet die vorgeschlagene Energiekostenzulage als gezielte Unterstützung für die am stärksten betroffenen einkommensschwachen Haushalte und stellt die Kostenberechnung in der Antwort des Stadtrats in Frage. Er erwartet deutlich niedrigere Kosten, basierend auf Vergleichsdaten aus Zürich.
Stadtrat Benvenuto Savoldelli erläutert, dass der Jahresgewinn 2023 bereits für Investitionen verwendet wurde und die Umsetzung des Vorschlags schwierig wäre, da keine Daten darüber vorliegen, wer Prämienverbilligungen bezieht. Er weist zudem darauf hin, dass Sozialhilfe- und AVH-Ergänzungsleistungs-Beziehende nicht von der Zulage profitieren würden.
Die SVP-Fraktion findet das Anliegen grundsätzlich berechtigt, hält den Vorschlag jedoch für nicht zielführend, da mit dem Vorgehen möglicherweise nicht die wirklich Bedürftigen erreicht werden würden.
Die Fraktion Mitte-GLP-EVP lehnt den Vorstoss ab und kritisiert, dass damit indirekt fossile Energieträger subventioniert würden. Sie befürwortet stattdessen kantonale oder nationale Massnahmen.
Die FDP bemängelt den administrativen Aufwand und die finanzielle Belastung für die Stadt.
Auch die Fraktion Olten jetzt! sieht den Vorschlag nicht als sinnvolle Massnahme.
Die Fraktion Grüne/Junge Grüne ist geteilter Meinung. Während einige die konkrete Entlastung der Mieterinnen und Mieter befürworten, sehen andere langfristige Lösungen wie energetische Sanierungen als wichtiger an.
Der Entscheid
Das Gemeindeparlament lehnt den Auftrag mit 12 Ja- zu 23 Nein-Stimmen ab. Die SP/Junge SP-Fraktion und Teile der Grünen/Jungen Grünen stimmen für den Vorschlag, während die übrigen Fraktionen ihn ablehnen.
Was Olten jetzt! dazu sagt
Obwohl wir die grundlegende Intention, einkommensschwache Haushalte zu entlasten, unterstützen, sehen wir in der vorgeschlagenen Energiekostenzulage keine nachhaltige Lösung. Der Vorstoss adressiert lediglich die Symptome, nicht jedoch die Ursachen der Energiepreisproblematik.
Die vom Stadtrat angeführten Argumente sind zutreffend: Bei Sozialhilfebeziehenden würde die Zulage direkt mit der Unterstützungsleistung verrechnet, bei EL-Beziehenden analog mit den Ergänzungsleistungen. Somit würden gerade die finanziell schwächsten Bevölkerungsgruppen nicht von den im Vorstoss geforderten Zahlungen profitieren. Vielmehr würde die Stadt die kantonale EL-Kasse entlasten.
Eine kosteneffiziente und wirksame Massnahme für EL-Beziehende wäre hingegen die Anpassung der Nebenkosten-Akontozahlungen im Mietvertrag. Dadurch würden die höheren Energiekosten direkt ausgewiesen und vom Kanton bei der EL-Berechnung berücksichtigt – ohne zusätzliche Kosten für die Stadt. Leider besteht für Mietende kein Rechtsanspruch auf eine solche Anpassung, weshalb eine vermittelnde Rolle der Stadt hier sinnvoll sein könnte.
Statt einer einmaligen Ausschüttung von Steuergeldern befürworten wir strukturelle Massnahmen wie die beschleunigte energetische Sanierung von Wohngebäuden, den Ausbau von Wärmeverbünden und die Förderung erneuerbarer Energien – verbunden mit sozialen Ausgleichsmassnahmen, die sicherstellen, dass energetische Sanierungen nicht zu übermässigen Mieterhöhungen führen. Nur so können wir gleichzeitig soziale und ökologische Ziele erreichen.
Wie es weitergeht
Da der Vorstoss abgelehnt wurde, wird es in dieser Sache voraussichtlich keine weiteren Aktivitäten von Seiten des Stadtrates geben.
Menstruationsschmerzen enttabuisieren
Cécile Send (SP/JSP) fordert in ihrem Auftrag, dass sich städtische Mitarbeiterinnen bei regelmässigen und starken Menstruationsschmerzen ohne ärztliches Zeugnis bezahlt dispensieren lassen können.
Im Kern geht es darum, Menstruationsbeschwerden als eigenständigen Abwesenheitsgrund – separat vom allgemeinen Begriff der Krankheit – anzuerkennen. Der Stadtrat empfiehlt, den Auftrag erheblich zu erklären.
Die Diskussion
In der Parlamentsdebatte betont Cécile Send, dass mehr als die Hälfte der Menschheit einmal im Monat menstruiert. Sie argumentiert, dass Menstruationsbeschwerden keine Krankheit seien und der Auftrag zur Entstigmatisierung und Enttabuisierung beitragen soll.
Stadtrat Thomas Marbet erläutert die mögliche Umsetzung durch Änderungen im Personalreglement und in der Personalverordnung. Konkret schlägt er folgende Ergänzungen vor:
- Im Personalreglement (SRO 131) Art. 21: «Ferien, Urlaub, Schwangerschaft, Mutterschaft, Vaterschaft, öffentliche Dienstleistung, Krankheit, Menstruationsbeschwerden und Unfall»
- In der Personalverordnung (SRO 131.1) Art. 17 Abs. 8: «Krankheit, Menstruationsbeschwerden oder Unfall»
Diese Änderungen würden verdeutlichen, dass es sich bei den Menstruationsbeschwerden nicht um eine Krankheit handelt. Die praktischen Regelungen bleiben unverändert: Bei Abwesenheiten von mehr als drei Arbeitstagen wäre weiterhin ein ärztliches Zeugnis erforderlich.
Die FDP-Fraktion findet, dass die Aufnahme von Menstruationsbeschwerden als weiterer Abwesenheitsgrund unnötig sei, da diese bereits im Krankheitsbegriff eingeschlossen sind. Sandy Grieder warnt, dass eine solche Regelung sogar negative Konsequenzen für die Gleichberechtigung haben könnte.
Für die Fraktion Mitte-GLP-EVP betont Muriel Jeisy, dass Schmerzen während der Periode nicht normal seien und ernst genommen werden sollten.
Die Fraktion Grüne/Junge Grüne unterstützt die begriffliche Präzisierung und begrüsst die Signalwirkung dieser Anpassung.
Die SVP-Fraktion sieht keine rechtliche Notwendigkeit für den Vorstoss, da die bestehenden Regelungen bereits ausreichend seien.
Denise Spirig (Olten jetzt!) argumentiert: «Mit dieser Regelung setzen wir ein Zeichen dafür, dass es wirklich okay ist, sich bei Periodenbeschwerden krankzumelden.» Sie weist darauf hin, dass Vorgesetzte bei regelmässigen – auch kurzen – Abwesenheiten bereits heute ein ärztliches Zeugnis verlangen können.
Salome Kisker (Olten jetzt!) hingegen befürchtet ein falsches Zeichen für die Gleichstellung. Sie äussert Bedenken, dass eine spezielle Abwesenheitsregelung für menstruierende Personen kontraproduktiv für die Gleichstellung der Geschlechter sei und den Eindruck erwecken könnte, dass Frauen häufiger arbeitsunfähig wären.
Simone Sager (FDP) fragt nach dem Unterschied zwischen Menstruationsbeschwerden und anderen Beschwerden wie Migräne und sieht keinen Mehrwert in der begrifflichen Unterscheidung.
Claudia Schmid (SP) hingegen betont, dass ein offener Umgang mit dem Thema mehr zur Gleichberechtigung beitrage.
Der Entscheid
Das Gemeindeparlament erklärt den Auftrag mit 18 zu 16 Stimmen bei einer Enthaltung für erheblich. Damit wird der Stadtrat beauftragt, das Personalreglement entsprechend anzupassen.
Was Olten jetzt! dazu sagt
Der Entscheid des Gemeindeparlaments ist ein Schritt zur korrekten begrifflichen Einordnung eines natürlichen physiologischen Vorgangs.
Die Formulierungen «bezahlt dispensieren lassen» und «regelmässig» im Vorstoss-Text sorgten in der Debatte wohl teilweise für Missverständnisse – denn es konnte leicht der Eindruck entstehen, dass hier irgendwie spezielle Privilegien für menstruierende Personen gefordert werden. Dem ist jedoch nicht so. Es sind genau die gleichen Rechte, die jeder Person, die vorübergehend arbeitsunfähig ist, zustehen. Das mit der Regelmässigkeit wäre sogar eine Einschränkung. Der Kern der Forderung ist, dass Menstruationsbeschwerden als eigenständiger Abwesenheitsgrund neben Krankheit anerkannt werden.
Der Stadtrat plant nun genau dies zu tun: Menstruationsbeschwerden sollen als separater Begriff im Personalreglement aufgeführt werden, mit den gleichen Regelungen wie bei Krankheit. Der befürchtete Imageschaden bezüglich der Leistungsfähigkeit von Frauen im Arbeitsleben wird dank dieses Vorgehens wohl nicht eintreten. Die Stadt Olten setzt mit der Anpassung ein positives Zeichen für ein zeitgemässes Personalrecht und reiht sich in die fortschrittliche kommunalpolitische Entwicklung ein, die in anderen Schweizer Städten bereits erfolgreich umgesetzt wurde.
Wie es weitergeht
Der Stadtrat wird dem Parlament eine Anpassung des Personalreglements vorlegen und nach dem Parlamentsentscheid die Personalverordnung entsprechend nachführen.
Mehr Leben in der Innenstadt?
Ursula Rüegg (SVP) fordert mit einem Auftrag, dass der Stadtrat prüft, wie die Kirchgasse/Baslerstrasse «für alle statt für wenige» besser nutzbar gemacht werden kann. Wen sie mit den «wenigen» meint, wird im Vorstosstext nicht erläutert, aber aufgrund der SVP als Absenderin haben viele Ratsmitglieder eine Vermutung.
Die Diskussion
Die SVP-Fraktion argumentiert, die Kirchgasse und die Baslerstrasse sollen über die bestehenden Anlässe hinaus belebt werden, um die Attraktivität für alle Bevölkerungsgruppen zu steigern. Sie betont, dass dies nicht zwingend mit hohen Kosten verbunden sein müsse und schlägt vor, bestehende Angebote wie den Robi-Spielplatz einzubeziehen und das Gewerbe sowie die Kirchgemeinde zu konsultieren. Im Verlauf der Debatte wird präzisiert, dass es nicht um die Verdrängung bestimmter Gruppen gehe, sondern um eine positive Besetzung des Raumes, inspiriert durch Aktionen wie das «Stadtgspröch». Man wünsche sich vom Stadtrat konkrete Vorschläge inklusive Kostenangaben.
Die anderen Fraktionen lehnen den Vorstoss ab:
Die Grüne/Junge Grüne sehen die Plätze bereits als stark belebt an (über 111 Veranstaltungstage 2024) und kritisieren die unklare Zielsetzung sowie potenzielle Kosten. Sie verweisen auf bestehende Instrumente wie City Management und Gassenarbeit.
Die SP/Junge SP kritisiert die Formulierung «für alle statt für wenige» nicht, weil diese gestohlen ist, sondern weil sie ausgrenze. Sie bemängeln die Unschärfe des Auftrags, fehlende Kostenvorstellungen und weisen auf eigene, frühere Vorstösse wie den zur Belebung des Munzingerplatzes hin.
Die Mitte-GLP-EVP sieht die Aufgabe der Stadt primär im Schaffen guter Rahmenbedingungen (Sicherheit, Gassenarbeit, City Management), nicht im Organisieren von Angeboten. Die Plätze seien bereits gut genutzt.
Olten jetzt! schliesst sich den Vorredner:innen an, betont die Unterstützung für bestehende Strukturen und das Pilotprojekt Munzingerplatz. Die Fraktion bezweifelt die Realisierbarkeit der SVP-Vorstellungen ohne erhebliche Kosten.
Die FDP lehnt den Vorstoss ab, um eine Verzettelung zu vermeiden, da bereits viele Projekte zur Innenstadtattraktivierung laufen (Munzingerplatz, Ortsplanrevision). Man wolle die Kräfte bündeln.
Der Stadtrat, vertreten durch Thomas Marbet, empfiehlt die Ablehnung. Er versichert, dass Anträge unabhängig vom Absender geprüft werden. Die Kirchgasse sei bereits stark belebt. Zusätzliche städtische Angebote wären mit hohem personellem und finanziellem Aufwand verbunden.
Der Entscheid
Der Auftrag wird mit 5 Ja- zu 30 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt.
Was Olten jetzt! dazu sagt
Natürlich unterstützen wir das Ziel attraktiver Plätze zur freien Nutzung für alle.
Der SVP-Auftrag bringt jedoch keine neuen Ansätze und enthält zudem eindeutige Untertöne der Ausgrenzung. Die Kirchgasse ist bereits heute ausreichend mit Veranstaltungen bespielt. Darin scheinen sich alle Fraktionen ausser der SVP einig zu sein.
Wenn schon, wäre es sinnvoll, im Bereich der nicht kommerziellen Nutzung der Kirchgasse Massnahmen zu ergreifen. In diesem Sinne begrüssen wir flexible und niederschwellige Lösungen wie den Pilotversuch zur Umnutzung des Munzingerplatzes. Dieser Ansatz entspricht einer progressiven Stadtentwicklung, die Räume für alle Menschen schafft.
Wie es weitergeht
Der Auftrag ist abgelehnt, daher wird der Stadtrat entsprechend seiner bisherigen Strategie mit der Innenstadtentwicklung weiterfahren.
Mehr Mitwirkung dank obligatorischen Vernehmlassungen?
Christine von Arx (SP), Muriel Jeisy (Mitte), Cecile Send (JSP), Thomas Fürst (FDP) und Marc Winistörfer (SVP) – alle mit Jura-Abschluss – fordern, dass der Stadtrat eine Rechtsgrundlage schafft, aufgrund derer wichtige Geschäfte der Bevölkerung zur Vernehmlassung unterbreitet werden müssen.
Die Diskussion
Angesichts der breiten Abstützung in den Fraktionen ist es überraschend, dass aus der FDP ein klares NEIN zur Idee kommt. Partizipation sei natürlich zu begrüssen, aber das Ansinnen widerspreche klar dem Wunsch der FDP nach schlanken Prozessen. Hier würde ein bürokratisches Monster geschaffen. Olten jetzt! und die Grünen sind auch dagegen. Die SVP, die Mitte, die EVP, die SP, die junge SP und die Jungen Grünen sind dafür.
Der Stadtrat sieht die Absicht als gut gemeint, bezweifelt aber die Wirkung. Er betont, dass das Parlament die Vertretung der Bevölkerung sei und bereits Instrumente wie Mitwirkung (Ortsplanung) und Referenden existieren. Er befürchtet eine Schwächung des Parlaments, erheblichen bürokratischen Aufwand (Verweis auf 588 Eingaben bei der Ortsplanung), unklare Definition «wichtiger» Geschäfte und fragliche Repräsentativität der Ergebnisse.
Die Parlamentsmitglieder von Olten jetzt! versuchen mit mehreren Voten aufzuzeigen, wo weitere Probleme dieses Vorstosses liegen: Erstens eine Rollenverschiebung im demokratischen System – da zu erwarten ist, dass Vernehmlassungsergebnisse sowohl vom Stadtrat als auch vom Parlament argumentativ genutzt werden. Zweitens ein Repräsentationsdefizit bei Vernehmlassungen – es melden sich erfahrungsgemäss primär diese Leute zu Wort, die von einem Entscheid betroffen sind und die Zeit oder das nötige Geld haben, um sich an einer Vernehmlassung zu beteiligen.
Der Entscheid
Der Auftrag wird mit 19 zu 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen für erheblich erklärt.
Was Olten jetzt! dazu sagt
Die Absicht der Auftraggebenden ist für uns absolut nachvollziehbar. Die Partizipation soll verbessert werden – zu einem Zeitpunkt, an dem ein Geschäft noch flexibel ist und es nicht nur ein Ja, ein Nein oder eine Rückweisung gibt. Wie oben beschrieben, sehen wir beträchtliche Risiken und einen substanziellen Mehraufwand für die Stadt. Andererseits ist niederschwellige Partizipation der Bevölkerung auch ein wichtiger Baustein einer lebendigen, gelebten Demokratie.
In den letzten Monaten und Jahren kam es im Gemeindeparlament des Öfteren zu Rückweisungen von Geschäften. Das zeigt, dass der Stadtrat mehrfach mit Geschäften angetreten ist, die zwar vom Parlament als wichtig erachtet wurden, aber vom Inhalt her absolut nicht den Vorstellungen der Parlamentsmehrheit entsprachen. Es gäbe also neben den nun beschlossenen öffentlichen Vernehmlassungen durchaus Bedarf, an einer besseren parlamentarischen Abstützung der Projekte des Stadtrates zu arbeiten. Die Volksvetreter:innen könnten sicher, wenn sie dann gefragt würden, beim einen oder anderen Geschäft schon lange vor der Parlamentsdebatte wichtige Inputs liefern.
Vor ein paar Tagen wurde die öffentliche Mitwirkung zur Phase 2 der Ortsplanung abgeschlossen. Alle, die sich beteiligt haben, wissen jetzt genau, wie das bei den geplanten neuen Vernehmlassungen hoffentlich nicht ablaufen soll.
Langer Rede, kurzer Sinn: Jetzt, wo das Parlament beschlossen hat, mehr Partizipation zu ermöglichen, werden wir uns dafür einsetzen, dass Lösungen gefunden werden, mit denen das Ziel der grösseren Beteiligung auch wirklich erreicht werden kann. Siehe dazu auch die Box unten.
Wie es weitergeht
Der Stadtrat wird die gesetzlichen Grundlagen für Vernehmlassungen entsprechend der Vorgaben des Auftrages ausarbeiten und dem Parlament zum Beschluss vorlegen. Vielleicht nimmt sich der Stadtrat die Motivation hinter dem Parlamentsbeschluss ja schon jetzt zu Herzen, und macht bezüglich der Ausgestaltung der neuen Vernehmlassungsregelung eine Vernehmlassung.
Kontinuierliche Bürger:innenbeteiligung
Die Einführung eines «obligatorischen» Vernehmlassungsverfahrens ist mehr als nur eine administrative Änderung. Sie steht im breiteren Kontext demokratischer Partizipation. Dieser Parlamentsbeschluss bietet die Chance, grundsätzlich zu überdenken, wie wir unsere demokratischen Prozesse gestalten wollen.
Das Vernehmlassungsverfahren sollte also nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Teil einer fortlaufenden Entwicklung unserer demokratischen Kultur. In einer Zeit, in der das Vertrauen in politische Institutionen vielerorts schwindet, können neue Beteiligungsformen wie diese eine wichtige Brückenfunktion übernehmen.
Anstatt nur ein formales Verfahren zu implementieren, sollten wir diesen Anlass nutzen, um einen umfassenden Dialog über zeitgemässe Bürger:innenbeteiligung zu führen. Dieser umfasst Fragen der Zugänglichkeit, der digitalen Transformation und der Inklusion aller Bevölkerungsgruppen.
Die wahre Herausforderung liegt nicht in der technischen Umsetzung, sondern in der Schaffung einer Kultur, in der die Stimmen der Einwohner:innen tatsächlich Gehör finden und in politische Entscheidungen einfliessen. Nur so kann die Vernehmlassung ihr volles demokratisches Potenzial entfalten.
Mithilfe von Gemini Deep Research (AI) haben wir einen Bericht zum Thema erstellen lassen. Er zeigt spannende Beispiele, wie andere Städte Beteiligung organisieren.