Weichenstellungen – Vorschau Märzsession 2024
Am 21. März 2024 trifft sich das Gemeindeparlament zur zweiten Sitzung in diesem Jahr. Wichtige Entscheide zum Kunstmuseum und zur Digitalisierung stehen auf dem Programm.
Kunstmuseum, der 3. Versuch
Worum es geht: Im Januar wies das Parlament den Antrag des Stadtrates für den Projektierungskredit Kirchgasse 8 und 10 ohne Debatte zurück. Der Stadtrat will nun durch die Einsetzung einer parlamentarischen Spezialkommission das Geschäft neu lancieren. Die Fraktionsvertretungen sollen sich gemeinsam mit dem Stadtrat über das weitere Vorgehen in Sachen Kunstmuseum einigen. Dadurch sollen die Erfolgschancen einer erneuten Vorlage erhöht werden.
Warum das wichtig ist: Bei der Sanierung des Kunstmuseums besteht dringender Handlungsbedarf. Das Kunstmuseum ist aktuell an der Kirchgasse 8 untergebracht – in einem Gebäude, das baulich in miserablem Zustand ist. Es besteht Einsturzgefahr mit potenziell dramatischen Folgen für die dort aufbewahrten Kunstgegenstände im Wert von mehreren Millionen Franken.
Finanzielle und inhaltliche Bedenken der rechten Parlamentshälfte haben das Projekt schon zweimal gestoppt. Sie müssen dringend adressiert werden. Die SVP forderte dazu letztes Jahr schon eine parlamentarische Kommission.
Der Stadtrat lehnte damals die Schaffung einer solchen Kommission ab: Er begründete es damit, dass eine parlamentarische Kommission nicht mehr Kompetenzen hätte als das Parlament selbst. Sie könne daher auch keinen zusätzlichen Einfluss auf das Projekt nehmen.
Der Stadtrat berief stattdessen eine ausserparlamentarische Begleitkommission ein: mit Fachleuten aus den Bereichen Stadtentwicklung, Immobilien, Denkmalschutz und Kultur und einer Vertretung des Oltner Gewerbeverbands. Einzelne Mitglieder dieser Kommission störten sich heftig daran, dass sie vom Stadtrat lediglich ein paar Mal über den jeweils aktuellen Planungsstand informiert wurden und ihre Meinung dazu sagen konnten. Sie hatten erwartet, gemeinsam mit dem Stadtrat an einer neuen Lösung zu arbeiten.
Unterdessen ist wohl beim Stadtrat die Erkenntnis gereift, dass demokratiepolitische Überlegungen zum Thema Kompetenzverteilung in dieser Situation wenig bringen. Denn FDP, SVP und die Mitteparteien haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, das Projekt im Parlament jederzeit zu blockieren oder im Notfall mithilfe eines Referendums zu Fall zu bringen. Indem der Stadtrat nun die Schaffung einer parlamentarischen Spezialkommission beantragt, zeigt er, dass er willens ist, gemeinsam mit dem Parlament eine Lösung zu suchen. Es bleibt zu hoffen, dass es dem Stadtrat gelingt, den Prozess so zu gestalten, dass bei den Mitgliedern der Spezialkommission ein Gefühl der Teilhabe und Selbstwirksamkeit entsteht.
Was Olten jetzt! dazu sagt: Wir unterstützen den neuen Ansatz und nominieren Denise Spirig für die Spezialkommission. Eigentlich hatten wir schon vor einem Jahr angenommen, der Stadtrat verfolge mit der ausserparlamentarischen Begleitkommission das Ziel, gemeinsam eine Lösung zu finden, aber da waren wir wohl etwas zu optimistisch. Wir hoffen sehr, dass es diesmal klappt und werden uns vor und hinter den Kulissen intensiv dafür einsetzen. Erst mal gilt es jedoch am Donnerstag, das Parlament vom neuen Ansatz zu überzeugen.
Der letzte Beamte im Stadthaus?
Worum es geht: Ende Februar 2025 geht Markus Dietler, der Stadtschreiber von Olten, in Pension. Wie in der Gemeindeordnung vorgeschrieben, hat Markus Dietler Beamtenstatus. Er wurde alle vier Jahre vom Parlament gewählt. Der Stadtrat beantragt nun dem Parlament eine Änderung der Gemeindeordnung, damit in Zukunft die Stadtschreiberin oder der Stadtschreiber gleich wie die anderen Direktionsleiter:innen direkt vom Stadtrat angestellt werden kann.
Warum das wichtig ist: Bei der Neubesetzung des Postens erweist sich eine Parlamentswahl als hinderlich. Wer kann es sich schon leisten, dass die Absicht, den Job zu wechseln, vorzeitig bekannt wird? Bei einer Wahl durch das Parlament müssen sich die Kandidierenden jedoch öffentlich um den Posten bewerben, im Wissen darum, den neuen Job dann allenfalls NICHT zu erhalten, falls sich mehrere Personen zur Wahl stellen.
Demokratiepolitische Auswirkungen der vorgeschlagenen Änderung sind nicht zu erwarten. Der Stadtschreiber arbeitet fast ausschliesslich für den Stadtrat und als Leiter der Direktion Präsidium ist er direkt dem Stadtpräsidenten unterstellt. Die scheinbare Unabhängigkeit gegenüber dem Stadtrat, die er durch die Parlamentswahl erhielt, war weder hilfreich noch notwendig bei der Umsetzung seiner Aufgaben. Dies wird sich nach einer Neubesetzung der Stelle nicht ändern.
Was Olten jetzt! dazu sagt: JA, wir können die Überlegungen des Stadtrates gut nachvollziehen und sind für die Änderung der Gemeindeordnung. Zudem wurde der Beamtenstatus auf Bundesebene 2002 abgeschafft. In Anbetracht dessen ist es höchste Zeit, die Gemeindeordnung anzupassen.
Und um die Frage im Titel aufzulösen: Nein, der Stadtschreiber ist nicht der letzte Beamte im Stadthaus. Auch der Stadtpräsident und der Finanzverwalter haben (noch) Beamtenstatus.
Politische Rechte für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung
Worum es geht: Auch Menschen mit umfassender Beistandschaft sollen im Kanton Solothurn die Stimmberechtigung erhalten. Eine kantonale Initiative verlangt eine entsprechende Gesetzesänderung im Einklang mit der UNO-Behindertenrechtskonvention. Leider ist die Unterschriftensammlung schleppend verlaufen, sodass die notwendigen Stimmen vermutlich nicht zusammenkommen werden. Alternativ ist es jedoch möglich, eine kantonale Initiative einzureichen, wenn sich mindestens zehn Gemeinden dafür aussprechen. Der Stadtrat beantragt daher dem Parlament, dass die Einwohnergemeinde Olten die Initiative unterstützt.
Warum das wichtig ist: Die UNO-Behindertenrechtskonvention spricht eine klare Sprache. Alle Menschen sollen sich am politischen Prozess beteiligen können. Neben dem Stimmrecht gehört dazu auch die Aufbereitung der Vorlagen in einfacher Sprache, sodass sie von allen verstanden werden können. Indem Olten die Initiative unterstützt, kann die kantonale Gesetzesänderung zeitnah angegangen werden.
Was Olten jetzt! dazu sagt: JA, die Initiative zur Erweiterung des Stimmrechts auf Menschen mit umfassender Beistandschaft ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer inklusiven Gesellschaft. Sie ermöglicht ihnen, gleichberechtigt am demokratischen Prozess teilzunehmen. Dies ist nicht nur eine gute Möglichkeit, unsere Gemeinde in Bezug auf Inklusion sichtbar zu machen, sondern auch eine Frage der Menschenrechte und Gerechtigkeit.
Mehr Führung beim Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz (AKES)
Worum es geht: Eine der beiden Co-Leiterinnen des Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz (AKES) der Sozialregion Olten hat per März 2024 gekündigt. In den letzten zwei Jahren haben die Hälfte der Mitarbeitenden des AKES ihre Stelle aufgegeben oder sind pensioniert worden. Eine externe Analyse hat ergeben, dass mit mehr Stellenprozenten im Führungsbereich die Fluktuation reduziert und die Attraktivität des AKES als Arbeitgeber erhöht werden kann. Der Stadtrat sieht das auch so und will die Führungsstrukturen beim AKES anpassen. Er beantragt dem Parlament zusätzliche 0,7 Vollzeitäquivalente (FTE) im Führungsbereich des AKES.
Warum das wichtig ist: Sinnvolle Führungsstrukturen sind zentral für die Aufrechterhaltung eines guten Arbeitsklimas. Die Einarbeitungszeit von neuen AKES-Mitarbeitenden dauert lange, da pro Stelle rund siebzig Fälle geführt werden. Neben den vielen inhaltlichen Themen kommen die Beziehungen zu den betreuten Personen und deren Bezugspersonen hinzu. Jeder Wechsel führt daher zu enormen Kosten aufgrund der reduzierten Produktivität. Bei dem aktuell ausgetrockneten Arbeitsmarkt ist es sehr schwierig, die Stellen überhaupt neu zu besetzen.
Was Olten jetzt! dazu sagt: JA, wir finden die Überlegungen des Stadtrates nachvollziehbar und unterstützen die Bestrebung, die Stadt zu einer attraktiven Arbeitgeberin zu machen. So müssen weniger Fälle zu hohen Preisen an externe Dienstleister ausgelagert werden. Weniger Fluktuation steigert zudem die Effizienz und senkt somit auch die Kosten.
Olten und die Cloud – ein Lichtblick
Worum es geht: Der Stadtrat will eine Person als Digital Officer einstellen. Sie soll die digitale Transformation der Stadt organisieren und steuern. Die Stelle ist in der Lohnklasse 21 (92 700 – 129 700 CHF pro Jahr) eingestuft.
Warum das wichtig ist: Informatik ist Dreh- und Angelpunkt einer modernen Verwaltung. In Olten ist die städtische Informatikabteilung jedoch personell nicht so aufgestellt, dass eine fachlich kompetente Beteiligung an strategischen Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen möglich ist.
Mit dem Wechsel auf zunehmend cloud-basierende Anwendungen ist es von zentraler Bedeutung, dass die Stadt eigene Kompetenzen in diesem Bereich aufbaut. Aktuell gibt es auf der Führungsebene der Stadt Olten keine einzige Person, die sich mit Informatik in der notwendigen Breite und Tiefe auskennt, um die anstehenden Entwicklungsprozesse zu unterstützen und zu führen.
Was Olten jetzt! dazu sagt: Ja, wir teilen die Einschätzung des Stadtrats. Die Stadt hat in der Führungsetage ein massives Wissens-Defizit bezüglich Informatik. Wir sind daher klar für die Schaffung der beantragten Stelle.
Wir sind jedoch der Ansicht, dass der Stadtrat zwar das Problem erkannt hat, jedoch bei der Lösung noch etwas sehr zaghaft unterwegs ist. Die digitale Transformation ist eine Aufgabe der höchsten Führungsebene einer Organisation. Der Kanton Solothurn hat im Rahmen des Impulsprogramms SO!Digital 2023 – 2025 gleich 15 zusätzliche Stellen in diesem Bereich bewilligt. Dabei hat der Kanton eine Stelle mit dem Titel Chief Digital Officer ausgeschrieben.
Wer sich auf Wikipedia zu den Aufgaben der Funktion Chief Digital Officer (CDO) informiert, erfährt: Die wichtigste Aufgabe besteht zumeist in der Entwicklung einer grundlegenden Digitalisierungsstrategie sowie deren Einbindung in bereits bestehende Strukturen im Unternehmen. Dabei nimmt der CDO häufig eine führende Rolle innerhalb der Firma, in der er arbeitet, ein und trifft Entscheidungen, die alle Ebenen und Bereiche der Organisationshierarchie betreffen können.
Der Stadtrat lässt in seinem Antrag das „Chief“ weg. Nicht nur bei der Ausschreibung, sondern auch bei der Entlöhnung sowie bei der Einordnung in die Führungsstruktur der Stadt. Wir befürchten, dass sich auf diese Weise keine geeignete Person für die Aufgabe finden lassen wird. Laut jobs.ch kann ein CDO ohne Berufserfahrung mit einem Einstiegslohn von 125 000 CHF rechnen, knapp unter dem Betrag, der in der Lohnklasse 21 als Maximallohn vorgesehen ist.
Auf die Problematik der nicht marktgerechten Entlöhnung angesprochen, sagte der zuständige Stadtrat Benvenuto Savoldelli, dass ihm die Hände gebunden seien. Lohnklasse 21 sei das, was für die Funktion nach städtischem Lohnreglement gezahlt werden könne. Offensichtlich werden im Oltner Lohnreglement einzig die Ausbildung und die Anzahl Untergebener beachtet. Weder fachliche und persönliche Qualifikation noch die Situation auf dem Arbeitsmarkt werden berücksichtigt.
Immerhin hat der Stadtrat, wie er selbst sagt, erkannt, dass das Lohnreglement zu einem massiven Problem bei der Einstellung von qualifiziertem Fachpersonal führt und will mittelfristig entsprechende Anpassungen vornehmen. Das reicht aber nicht mehr für die Ausschreibung der neuen Stelle.
Wie gesagt: Olten jetzt! wird der Vorlage zustimmen, da wir die Stossrichtung richtig und wichtig finden, auch wenn wir befürchten, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen keine geeignete Person für die Stelle gefunden werden kann.
Parlamentarische Vorstösse
Falls nach der Bearbeitung der Anträge des Stadtrates Zeit bleibt, wird das Parlament noch parlamentarische Vorstösse bearbeiten. Die Liste ist wieder prall gefüllt, sodass das Parlamentsbüro vorsorglich zwei zusätzliche Parlamentssitzungen im Juni und im September eingeplant hat. Mehr dazu im Sessionsbericht.
Die Parlamentsdebatte am Donnerstag wird auf YouTube übertragen. Wir freuen uns auf Sie!
Vor ein paar Tagen haben wir auf unserer Website eine Kommentarfunktion aktiviert. Wir sind gespannt auf Ihre Beiträge! Wenn diese vor der Parlamentsdebatte eintreffen, können sie durchaus noch einen Einfluss auf das Geschehen im Parlament haben. Wir bemühen uns, stets offenzubleiben für neue Überlegungen, Argumente und Anregungen.